Wie Gerold Riedmann die "Vorarlberger Nachrichten" umbaut

Gerold Riedmann (40), Chefredakteur der "Vorarlberger Nachrichten" und Geschäftsführer von Russmedia Digital, weiß, wie man Redakteure auf die Moderne einschwört. Auch gegen zeitaufwendige Redaktionskonferenzen hat er ein Rezept. Wie Riedmanns Zukunftsstrategie für die "Vorarlberger Nachrichten" aussieht, verrät er im Gespräch.

Marc Bartl | 25. April 2017 um 12:17

"Wir werden uns von einem Medium, das man am Morgen vor der Tür findet, zu einem Begleiter mit vielen Kontaktpunkten entwickeln": Gerold Riedmann (Foto: Philipp Steurer)

Georg Taitl, Chefredakteur des "Österreichischen Journalist", hat Georg Riedmann für die Titelgeschichte der Ausgabe 02-03/2017 interviewt. Hier ein Auszug: "Der Österreichische Journalist": Der durchschnittliche Redakteur ist, was seine Arbeit betrifft, meist strukturkonservativ. Jede Änderung in der Arbeitsweise tut weh. Wie gehen Sie damit um? Gerold Riedmann: Der US-Journalismus-Professor Jay Rosen hat dazu einmal gesagt "Newsrooms are built for resilience". Redaktionen müssen also unter allen Umständen funktionieren. Dass solche Strukturen ganz besonders schwer zu ändern sind, das haben ganze Generationen von Zeitungsmanagern am eigenen Leib gespürt. Gleichzeitig ist Neugierde eine Grundtugend von uns Journalisten. Twitter erfüllt beispielsweise viele Funktionen einer Nachrichtenagentur. Da packt es viele Kollegen an ihrer journalistischen Neugierde. Und wir wollen diese digitale Neugierde auch aktiv unterstützen. Beispielsweise haben wir kurz nach Erscheinen des iPhones alle Mitarbeiter aufgerüstet, modernste Technik ist auch heute verfügbar. "DÖJ": Sie nutzen Technik, so oft es nur geht. Gerold Riedmann: Ja. Wir haben gesehen, dass Redaktionskonferenzen sehr viel Zeit verschlingen - bis zu 20 Prozent der Arbeitszeit. Bei Start-ups haben wir dann gesehen, dass die mit Slack arbeiten. Über diesen Gruppenchat ist jetzt eine andauernde Redaktionskonferenz bei uns entstanden. So sparen wir eine physische Redaktionskonferenz pro Tag - und diskutieren laufend über die Ausgaben. "DÖJ": Was macht man mit Redakteuren, die sich weigern, auf die Moderne einzusteigen? Gerold Riedmann: Das habe ich bislang äußerst selten erlebt. Aber meine Assistentin würde dann ganz fürsorglich und nachdrücklich gleichermaßen bei der Benutzung der Technik unterstützen. Es gilt halt ab und zu, an die Neugierde zu appellieren. "DÖJ": Was haben Sie in nächster Zeit vor? Gerold Riedmann: Wir sind dabei, auf vn.at noch sehr viel mehr Inhalte zu dem Journalismus, der in der Zeitung sichtbar ist, dazuzubauen. Dazu gehören beispielsweise Langversionen von Interviews und Videos: Hier geht es aber nicht um Klicks. Das ist hochwertiger Journalismus für zahlende Abonnenten. Seit fünf Jahren gibt es in Vorarlberg eine harte Paywall. Wenn Sie diese Inhalte auf Facebook, WhatsApp oder Twitter teilen wollen, geht das natürlich komfortabel, dennoch ist nicht alles für alle gratis. Unser Internetauftritt vol.at geht im Gegensatz dazu auf Reichweite und das sehr erfolgreich. Alle Russmedia-Titel erreichen auf täglicher Basis über 95 Prozent der Leser hier in der Region - auf täglicher Basis, GfK-gemessen. "DÖJ": Können Sie damit Ihre Auflagenverluste wieder wettmachen? Gerold Riedmann: Wir haben noch nie auch nur annähernd so viele Menschen erreicht - und das nun rund um die Uhr, nicht nur beim Frühstück. Und auch die Zeitung selbst zeigt ja eindrucksvoll, dass man wachsen kann: denn wir können das, was wir an gedruckter Auflage minimal einbüßen, durch das Digitalwachstum der "VN" mehr als wettmachen. Das ist auch die Zukunftsstrategie der "Vorarlberger Nachrichten". Bisher war ja das Modell der Branche, ein Gratis-Onlinemedium soll ganze Verlage tragen. Das wird sich nicht ausgehen. Die Ansprüche, die Finanzierung, die Erwartungshaltung - einfach alles ist zu unterschiedlich. Man darf nicht alles mit einer einzelnen Marke, mit einem einzigen Team wollen. Die Zukunft der Zeitung ist für uns weiterhin ein Produkt mit einem Anfang und Ende, mit einem Erscheinungsrhythmus, momentan eben morgens und abends. Vielleicht haben wir ja eine zusätzliche Ausgabe in fünf Jahren - und zusätzlich ein Zeitungs-Onlineauftritt, der dann endgültig ein der Zeitung ebenbürtiges Layout besitzt. "DÖJ": Wie wird die gedruckte Zeitung in fünf Jahren aussehen? Gerold Riedmann: Ich weiß es nicht, aber wir werden relevanten Journalismus publizieren. Journalismus ist aber nicht an Papier gefesselt. Natürlich werden wir auch in Zukunft Inhalte drucken. Wir werden uns von einem Medium, das man am Morgen vor der Tür findet, zu einem Begleiter mit vielen Kontaktpunkten entwickeln
  kress.de-Tipp: Wie Gerold Riedmann, der Multifunktionär der "Vorarlberger Nachrichten", experimentiert, kopiert, erfindet und letztlich einen neuen Weg geht, lesen Sie im kompletten Interview des "DÖJ". Die Ausgabe 02-03/2017 kann in unserem Shop als E-Paper oder gedruckt und im iKiosk erworben werden. "Der Österreichische Journalist" (Chefredakteur: Georg Taitl, Herausgeber: Johann Oberauer) erscheint wie kress.de im Medienfachverlag Oberauer. Zur Person: Gerold Riedmann ist Chefredakteur der "Vorarlberger Nachrichten" ("VN") und auch Geschäftsführer von Russmedia Digital. Er ist seit 2003 bei Russmedia tätig, zunächst als Redakteur und ab 2007 stv. Chefredakteur der "VN". Zuvor entwickelte er als Chefredakteur der Münchner Crossmedia-Agentur AME medienübergreifende Onlineformate für das Businessradio der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Endemol/RTL, Sky/Premiere und den Bayerischen Rundfunk. Riedmann ist Vice President des Global Editors Network (GEN), Paris, und der International News Media Association (INMA), Dallas. 2011 absolvierte er das Media Executive Leadership Program an der Northwestern University, Evanston, Illinois.

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